Weißrussland entführt Flugzeug - Großer allgemeiner westlicher Protest!

Die Frage ist, ob der Protest berechtigt ist. Was war passiert? Eine Ryanair Maschine von Athen nach Vilnius wurde beim Überflug Weißrussans zur Landung aufgefordert und eskortiert, offiziell wegen "Bombenverdacht". Eine entsprechende Durchsuchung durch weißrussische Behörden ergab jedoch keine Sprengstoffe an Bord. Einer der Passagiere, der oppositionelle Blogger Roman Protasewitsch, der an Bord war, gegen den es augenscheinlich einen lokalen Haftbefehl gab, wurde festgenommen. Alle anderen Passagiere durften nach der Kontrolle weiter nach Vilnius fliegen.

Soweit die offensichtlichen Fakten. Erste Frage, ist diese Reaktion auf eine angebliche Bombendrohung rechtmäßig? Ist ein Überflugstaat berechtigt ein Flugzeug zur Landung aufzufordern oder gar zu zwingen? Unter diesen Voraussetzungen, Sprengstoff an Bord, Ja. Was würde passieren, wenn dabei eine Person festgestellt würde, gegen die ein nationaler Haftbefehl besteht? Sie würde auch in Deutschland und allen anderen Staaten der Welt festgenommen. Die Frage ist, war der Verdacht echt, oder war er ein gezielter Vorwand zur Festnahme von Roman Protasewitsch. Das muss die Fragestellung sein.

Die allgemeine Aufregung, dies sei ein Vorgang ohne Präzedenz, von westlichen Politikern laut und schrill verkündet ist jedoch simpel und ergreifend unwahr! Es gab einen, der noch viel mehr in internationales Recht eingriff! - ohne Proteste aus dem westlichen politischen Lager. Doppelstandard?

Der analoge Fall war die Festsetzung des Fluges des bolivianischen Präsidenten Evo Morales in Wien im Jahre 2013. Man erinnere sich, seit dem 23. Juni 2013 hielt sich Edward Snowden in Moskau auf und wurde, da kein Land auf Druck der USA ihm Asyl bot, in der Transitzone des Flughafens Scheremetjewo interniert. Am 03. Juli 2013 begab sich der in Moskau befindliche Präsident von Bolivien auf seinen geplanten Rückflug nach Bolivien, offiziell war dieser Flug gemeldet, er hatte die Überflugberechtigungen für alle Staaten, die sein Flugzeug überfliegen musste. Als der Flug schon im Gange war wähnten die USA - Präsident war zu dieser Zeit der Friedensnobelpreisträger Obama - veranlassten die USA die NATO-Staaten Frankreich, Deutschland, Spanien und Portugal ihm die Überflugrechte zu entziehen, um Snowden aus der Maschine zu holen und in die USA zu verbringen. Als einziger Landeort wurde Wien ermöglicht - Alternative: Treibstoffmangel und Absturz der Maschine.

Das Flugzeug mit Evo Morales an Bord landete in Wien und wurde durchsucht. Eine zweifelhafte Prozedur, denn Flugzeuge von amtierenden Präsidenten gelten allgemein als diplomatisches Ausland, sind somit für derartige Aktionen Tabu. Nun, Morales gab den Österreichern gezwungenermaßen die Genehmigung zur Durchsuchung des inneren der Maschine - Fazit: Snowden war nicht an Bord. Nach 13 Stunden Zwangsaufenthalt in Wien konnte Morales seine Reise fortsetzen. Also einen Präzedenzfall gibt es - denn was hätten die Österreicher wohl gemacht, wenn Snowden an Bord gewesen wäre? Jeder weiß es ....

Also, halten wir den Ball flach, so unvergleichlich war der Fall der Ryanair Maschine nicht - die hängt politisch 3 Stufen tiefer als eine Präsidentenmaschine ...

Es muss zweifelsfrei geklärt werden, ob das Ziel der erzwungenen Landung wirklich die Festnahme von Roman Protasewitsch war oder nicht. Wenn es so war, dann sollte man auch den genannten Präzedenzfall sehen - beide wären frevelhaft. Aber aufgeklärt werden muss dies.

 

Ich kenne das Wirken von Protasewitsch nicht, aber das von Snowden kennen wir alle - auch da ist noch dringender Handlungsbedarf!


23.05.2021

 

Nachtrag - 31.05.2021

Heute ist ebenfalls eine Ryanair Maschine außerplanmäßig wegen einer Bombendrohung in Berlin zwischen gelandet, Flugplan Warschau - Dubin. Wie in Minsk wurden die Passagiere evakuiert und kontrolliert. Was wäre wohl gewesen, wenn die Bundespolizei eine Person, gegen die ein gültiger Haftbefehl vorliegt, dabei festgestellt hätte? Sagen wir zum Beispiel Jan Marsalek, der mutmaßliche Hauptbetrüger des milliardenschweren Wirecard-Skandals? Hätte die Bundespolizei ihn verhaftet oder weiter fliegen lassen? Die Sache ist klar ... dieser Vergleich soll nicht ausdrücken, dass Herr Protasewitsch kriminell ist, das muss ein Prozess klären, der aufmerksam verfolgt werden muss - dies soll aber zeigen, der Fakt der erzwungenen Zwischenlandung bei Bombendrohungen im zivilen Luftverkehr nicht nur den Präzedenzfall Evo Morales aufweist - neben dieser gab es auch schon im Vorjahr eine derartige Zwischenlandung einer anderen Ryanair-Maschine - Bombendrohung.

Die EU und alle anderen sanktions-begeiserten Staaten sollten mit derartigen Reaktionen auf die Klärung des Vorgangs warten, und nicht den Regieplan des kalten Krieges folgen. Die Lage in Europa ist schon fragil genug.


31.05.2021