20.05.2021
Angela Merkel sagte am 18. März 2008 vor der Knesset: "Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes."
Ist Merkels Aussage richtig oder nur Propaganda, real, oder einseitig ausgerichtet? Unwahr bezüglich ihrer Vorgänger als Bundeskanzler?
Merkel hatte sicher Recht, es gibt eine besondere deutsche Verantwortung für die Verbrechen des Nazi-Regimes an den Juden, aber wie steht es mit den anderen Nationen, die unter dem Nazi-Regime über alle Maßen litten?
Wäre es nicht gerecht, diesen gegenüber eine ähnliche Verpflichtung einzugehen oder zu empfinden? Ich denke speziell hier an Polen und Russland. In den besetzten Gebieten Russlands wurden anfänglich Juden, Kommunisten und Personen die dem Widerstand auch nur im entferntesten zugerechnet werden konnten erst durch die Einsatzkommandos der SS zusammen getrieben und ermordet, Tausende wurden später dann in KZs verbracht. Von den im Nürnberger Einsatzgruppen-Prozess im April 1948 verurteilten 20 Tätern wurden,außer vier zum Tode verurteilten Tätern, alle weiteren (16) im Jahre 1951 vom Hohen Kommissar John McCloy (USA) begnadigt, 6 kamen sofort frei, der letzte - vorher zum Tode verurteilte kam 1958 frei. Alle lebten unbehelligt in der BRD. Einer von ihnen, der SS-Brigadeführer Heinz Jost, verurteilt in Nürnberg zu lebenslänglich, fing dann, nach seiner Entlassung, sogar beim BND an. Alle erhielten später Pensionen in der BRD.
Doch zurück zum Thema, wie sieht es mit unserer Verpflichtung gegenüber den mehr als 25 Millionen durch die Nazi-Diktatur getöteten Russen aus? Oder den 5,6 Millionen Polen? - jeweils etwa 2 Millionen von ihnen waren Juden ... Dort habe ich von bundesrepublikanischer Seite aus nie auch nur eine etwa gleichwertige Verpflichtungserklärung gehört. Gründe gibt es da auch millionenfach.
Doch es geht noch weiter - durch die Gräueltaten der Nazis an den Juden wurde die politisch-emotionale Basis für die UN Resolution 181 vom 29. November 1947 geschaffen, in der 33 UN-Staaten für die Teilung des britisch verwalteten UN-Mandatsgebiets Palästina in einen jüdischen und einen palästinensischen Staat stimmten, bei 10 Enthaltungen und 13 Gegenstimmen, letztere meist arabische Staaten.
Eine solche Resolution muss man in ihrer Zeit sehen, das quasi koloniale britische Mandatsgebiet Palästina wurde geteilt, ohne dass man die dort wohnende Bevölkerung fragte, was sie über die Teilungspläne denkt, es wurde entschieden - mit schönen Worten garniert, die jedoch an der Realität weit vorbei gingen. Denn die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen waren seit Beginn der massiven Einwanderungszahlen jüdischer Siedler längst im Gange ... und sie wurde von beiden Seiten angeheizt ... getreu dem Motto "Soviel Land wie möglich, mit so wenigen Arabern wie möglich" waren sogar Personen wie David Ben Gurion stillschweigende Befürworter des Terrors der Irgun und Lechi, da dieser zur Vertreibung der arabisch-palästinensischen Bevölkerung führte.
Diese Vertreibung, heute würde man sie ethnische Säuberungen nennen, setzte schon vor dem Krieg 1948 ein - Deir Jassin - und wurde nach dem Sieg der international unterstützen Armee des jungen Staates Israel weiter betrieben - Lydda und Ramle. Insgesamt wurden etwa 700.000 Palästinenser in die arabischen Nachbarstaaten vertrieben, Gaza und das Westjordanland wurden von Ägypten, respektive Jordanien besetzt, der Palästinenserstaat wurde nie implementiert. Viele der Palästinenser leben auch heute noch in der 6. Generation in Flüchtlingslagern, wie beispielsweise im Libanon.
Also wenn man es genau nimmt, dann sind die Palästinenser die letzten Opfer der nazi-deutschen Verbrechen an den Juden. Dadurch hat Deutschland ebenfalls eine Verantwortung gegenüber den Palästinensern. Ich würde es so formulieren, Deutschland hat eine Verpflichtung beiden Seiten gegenüber - wobei diese bisher lediglich sehr einseitig zugunsten von Israel realisiert wird. Die geringen Aktivitäten für die Palästinenser - was sind 40 Millionen gegenüber den von Israel verursachten menschlichen und wirtschaftlichen Schäden, die durch die Bombardierung des Gazastreifens verursacht werden? Und wenn Herr Mass jetzt die Region bereist, dann sollte er und Israel auch mit der Hamas sprechen - Frieden macht man nun mal nur, wenn man mit den Feinden spricht und verhandelt, nicht nur mit Freunden.
Sollten wir unsere Staatsräson um einen weiteren Staat erweitern, dies wäre sicher zielführend. Ohne eine gerechte Lösung des Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis wird es keinen Frieden in Nah-Ost geben. Auch dabei weiter stoisch auf die Zweistaatenlösung zu pochen scheint weltfremd, diese ist in Israel nicht mehr durchsetzbar, wobei eine Einstaaten-Lösung, angesichts der bestehenden Gegensätze sehr schwierig scheint, es sollte auch diese Möglichkeit bewertet werden.
Die Voraussetzung dafür ist das JETZT die Waffen schweigen, auch die israelischen.
20.05.2021