Die AfD ist eine West-Partei!

Die Wahl in Sachsen-Anhalt ist vorbei, die „AfD geschlagen“ und die CDU stärkste Partei, stärker als zuvor – die FDP nach 10 Jahren wieder im Landtag, die Linken geschwächt. Die Welt der deutschen Demokratie ist wieder in Ordnung – ein wichtiges Zeichen vor der Bundestagswahl im September.

Doch man muss genauer hinsehen – jeder vierte Wähler hat die AfD gewählt – sie werden von vielen als die einzig echten Vertreter der Interessen der Bewohner der Neuen Bundesländer – der Ossis - angesehen. Und dann kommen bei Frau Will gleich wieder die Sprüche des „Ostbeauftragten der Bundesregierung“ Wanderwitz auf den Sender, der den Ossis fehlende Sozialisierung in der Demokratie bescheinigt. Da kommt viel hoch – denke man lediglich an die Thüringischen FDP-AfD Eskapaden 2019, da war sich ein Herr Lindner – westlich sozialisierter lupenreiner Demokrat – nicht zu fein, die AfD zu nutzen, um eine kümmerliche Regierung von AfD-Gnaden zu bilden. Somit ist die Frage des Umgangs mit der AfD auch bei den „Kräften der Mitte“ situationsbedingt und muss durchaus nicht immer so eindeutig sein wie Herr Haseloff dies „für diese Wahl“ festgelegt hatte. Mit den Anführungszeichen soll nicht die Einstellung von Herrn Haseloff infrage gestellt werden, doch gilt dies für alle seiner CDU-Genossen? Sehen es die rechten Kreise der CDU genauso? Auch die Schill-Partei (Partei Rechtsstaatlicher Offensive) war ein Paria, wurde aber doch, als das Hamburger Wahlergebnis der CDU es für deren Machterhalt erforderlich machte deren Koalitionspartner.

Und, was ist die AfD eigentlich für eine Partei? Wie soll man mit der AfD umgehen und wie mit deren Wählern und Abgeordneten?

Zuerst einmal zum Umgang mit den Wählern der AfD. Man sollte generell auf die Beschimpfung der Wähler verzichten, da dies den demokratischen Grundsätzen zutiefst zuwiderläuft. Wesentlich ist doch, ob eine Partei das Wahlvolk überzeugen kann oder nicht, oder auch, ob konkurrierende Parteien die Schwachstellen ihrer Konkurrenten entlarven können und wollen, und letztlich auch darum, wie der Wähler über die Einhaltung und den Einsatz für gegebene die andere fordert 2%, nach der Koalitionsbildung einigt man sich auf 3% - CDU/SPD Regierung 2006, gültig ab 2007. Es ist Aufgabe der konkurrierenden Parteien auf diese grobe Verletzung von Wahlversprechen anderer Parteien aufmerksam zu machen, speziell im Wahlkampf der folgenden Wahlen. Hält man diese Argumente den verursachenden Parteien nicht vor, versagen die anderen Parteien ebenfalls.

Die AfD wird immer als Ost-Partei wahrgenommen, dies ist sie jedoch absolut nicht. Analysiert man die Geschichte der Partei und deren Strukturen wird dies schnell klar.

Die AfD entstand im Jahre 2013 als rechts-bürgerliche, eher Akademiker-lastige Euro-kritische Partei, ihre Parteisprecher waren Bernd Lucke, und Frauke Petry. In den ersten Jahren war jedoch Luke das Gesicht der Partei. Doch die Auffassungen der beiden Sprecher waren, zumindest was die Ausrichtung der Partei, deren schnelles Wachstum, als auch der Akzeptanz noch weiter rechts gerichteter neuer Mitglieder unterschiedlich. Lucke ging es primär lediglich um die Euro-Kritik und die politische Beeinflussung der rechten gemäßigten Teile der Gesellschaft.

Auf dem Essener Parteitag 2015 kam es nach unterschiedlichen Konflikten und verschiedenen Plattform-Dokumenten, zur offenen Konfrontation, welche Frauke Petry an die Spitze der Partei brachte. Jörg Meuthen wurde ihr Stellvertreter. Lucke trat im gleichen Jahr aus der Partei aus, viele Euro-kritische andere Mitglieder taten es ihm gleich, was zu einer Stärkung des rechten und extrem rechten Flügels innerhalb der AfD führte. Gleichzeitig und vorgelagert war der Einfluss der AfD auf anfänglich Ost-typische Phänomene wie Pegida – von der es auch wegen ihrer niedrigeren  Teilnehmerzahlen und Konstanz weniger bekannte West-Ableger gibt. Diese Verbindungen, aber auch andere, direkt in die rechte Szene gehende Verbindung, fixierten das Thema „Migrationsfeindlichkkeit“ zum zentralen Dreh- und Angelpunkt der AfD, was speziell in den Neuen Bundesländern von den Wählern positiv aufgenommen wurde. Dies vermengt mit den AfD-typischen Beschreibungen der „Erbsünden“ der etablierten Parteien ist deren „Erfolgsmodel“ in den Neuen Bundesländern, Sünden die im sozialen Bereich seit der Wiedervereinigung massiv zu Problemen führten, die objektiv existieren und von CDU, FDP, SPD und Grünen weitgehend ignoriert werden. Das haben die in ihrer Zahl sicher überwiegenden Protestwähler im Osten konsequent abgestraft und hat der AfD letztlich die weit über deren Mitgliederzahl liegende Repräsentanz in den Landesparlamenten beschert. Der Stimmenanteil der AfD liegt im Durchschnitt der Neuen Bundesländer (Ohne Berlin) bei 23,9% - also fast jeder vierten Wählerstimme, in den westlichen Bundesändern beträgt dieser lediglich  8,3%. Dies lässt auf ein recht beträchtliches Potential an Protest-Wählern im Osten schließen.

Doch die AfD entwickelte sich weiter, speziell auf dem rechten Flügel, der dann auch bald innerhalb der AfD eine der "Flügel" genannte Gruppe bildete, die vorwiegend rechts-nationalistisch ausgerichtet war und vom Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke dominiert wurde, der mit extrem rechten Positionen die AfD für diese Randgruppe öffnete. Nach anfänglichem Zögern wurde dann der Ausschluss Höckes vom Parteivorstand angestrebt. Auf dem Parteitag 2017 in Köln wurde dann Frauke Petry, auf Druck des rechten Flügels der Partei, zum Rücktritt gezwungen. An deren Stelle trat Alexander Gauland und Jörg Meuthen. Gauland wurde 2019 Ehrenvorsitzender und von Tino Chrupalla als Parteisprecher ersetzt. Er ist übrigens der einzige Ostdeutsche im 15 köpfigen Präsidium der AfD.

In gesamten Zeitraum, seit ihrer Gründung, sind die Wahlergebnisse der Partei fast generell gestiegen, und speziell im Osten Deutschlands, erst seit 2020 (in 4 Landtagswahlen) ist die AfD in Landtagswahlen nicht mehr so erfolgreich und verzeichnet Verluste. Die CDU/CSU führt dies auf die klare Abgrenzung des Wahlkampfes gegenüber der AfD zurück, was sicher auch ein Teil der Wahrheit ist, die jedoch auch taktisch sein kann, denn jede Stimme für die AfD ist letztlich eine Stimme für Rechts, schwächt somit die Linken. Dies kann nützlich sein, wenn der jeweilige CDU Koalitionspartner einmal nicht ganz auf der rechten Linie liegt. Auf lokalen Niveau funktioniert dies ja schon, so sind in Landtagen und den Gemeinden schon Fälle koordinierter Politik gegen ungenehme Projekte, Anträge und Aktivitäten belegt.

Bleibt die Frage, wie mit den Abgeordneten der AfD, deren Anträgen und Aktivitäten umgehen? Derzeitig existiert eine fast schon typische Ablehnung der anderen Parteien diesen Aktivitäten gegenüber, welcher jedoch durchbrochen werden muss. Es kann nicht Argument sein, einen Antrag abzulehnen weil er von der AfD kommt. Unsere Parlamentarier sollten sich schon die Mühe machen diese Anträge zu analysieren und, falls es positive Aspekte gibt, diese auch aufgreifen und bewerten. Nicht alle der über 80 Mitglieder der AfD des Bundestages sind extrem rechts. Außerdem besteht so die Gefahr, das legitime, den rechten unliebsame Anträge durch diesen AfD-Boykot von vornherein abgeblockt und somit verhindert werden können. Also rechts stimmt sich ab - und links beißt aus Reflex zu. Distanz halten ja - automatische Ablehnung nein. Auf Gemeinde-Ebene funktioniert dies schon recht gut.

Nun zur Frage ob die AfD eine Ostpartei ist, für die sie gern verkauft wird und sich selbst, wegen der Wahlerfolge, gern verkauft. Nun absolut zweifelsfrei liegen die Wurzeln, wie bereits dargestellt, in eher akademischen Kreisen der Alten Bundesländer. Sie war immer eine westdeutsche Partei und ist es auch noch heute, sie „borgt“ sich die Wählerstimmen aus den Unzufriedenen, den rechten Gruppen im Osten Deutschlands und Personen, die schnell politische Karriere machen wollen.

DDoch zu den Zahlen. Geht man von der reinen Mitgliederzahlen nach Landesverbänden aus hat die AfD natürlich wesentlich mehr Mitglieder in den Alten Bundesländern, in der Relation zwischen Ost und West gibt es wesentlich mehr Bewohner in den Alten Bundesändern. Auf die Mitgliederzahlen und deren Gewichtung an den Bevölkerungszahlen ergibt sich folgendes Bild:

AfD-Mitglieder

Quelle der Daten Wikipedia

Es zeigt sich, dass auf 10.000 Einwohner des Landes bezogen, die AfD in den Ost-Ländern eine höhere Mitgliederzahl aufweist. Erwähnt werden muss, dass Rheinland-Pfalz und das Saarland noch vor Mecklenburg-Vorpommern in der Spitzengruppe liegen, mit 5,35 respektive 4,88 Mitgliedern pro 10.000 Einwohnern. Berlin wurde hier gesondert behandelt, da die Frage ob Ost oder West aus dem Zahlenmaterial nicht hervor geht. Im Osten führt Brandenburg mit 6,47, gefolgt von Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt mit 5,51. Nach absoluten Mitgliederzahlen stehen folgende Bundesländer vorn – Nordrhein-Westfalen 5.552 Mitglieder, Bayern 5.094, Baden-Württemberg 4.846, Hessen 2.865, Niedersachsen 2.790, Sachsen mit 2.595, Rheinland-Pfalz 2.186 und Brandenburg 1.626 Mitgliedern. Die niedrigste Mitgliederzahl wurde in Bremen registriert, 143 Mitglieder.

Bezüglich der Mitglieder ist noch die Frage der Entwicklung der Mitgliederzahlen von Interesse. Während diese in allen Neuen Bundesländern im Vergleich 2018/2019 anstiegen, am stärksten in Sachsen-Anhalt mit über 18%, sind sie in Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen rückgängig. Aber auch in den anderen Alten Bundesländern Nordrhein-Westfalen – fast 8%, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Saarland, sowie auch in Berlin – 4,2% - steigen die Mitgliederzahlen.

Es kann also festgestellt werden, die absoluten Mitgliederzahlen sind in den Alten Bundesländern wesentlich höher als in den neuen, dort sind die Zuwächse und die relative Mitgliederzahl, auf die Einwohnerzahl bezogen, höher. Eigentlich sollte man erwarten, die Mitgliederverteilung spiegelt sich auch in den Gremien der Partei wieder, doch dem ist nicht so.

GGrafisch stellt sich die Zusammensetzung der Gremien der AfD wie folgt dar:

AfD-Gremien

Quelle der Daten Wikipedia

Als Führungsgremien wurden hierbei der Parteivorstand – gesondert betrachtet -, die Funktionsträger im Bundestag und die Landesvorsitzenden in die Betrachtung einbezogen, wobei Doppelfunktionen lediglich einfach bewertet wurden. Zusätzlich wurden in die Betrachtungen die beiden ehemaligen Parteichefs Lucke und Petry einbezogen, da die die Richtung der Partei prägend beeinflusst haben.

Für die Klassifizierung der Personen nach Ost und West wurde in erster Instanz nach dem Geburtsort entschieden, wobei im Osten geborene Personen die zur Wende 1990 mehr als 10 Jahre in den Westen gelebt haben als dem Westen zugehörig klassifiziert wurden (3 Personen).

Für die berufliche Klassifizierung wurde die primäre, prägende Ausbildung, verwendet, also ein Jurist, der derzeitig als Verleger tätig ist, wird als Jurist geführt.

Auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass auch hier, relativ als auch absolut die Vertreter aus den Alten Bundesländern die Führungsgremien der Partei dominieren, und dies sehr stark. So ist im Bundesvorstand lediglich ein Vertreter aus den Neuen Bundesländern, als auch die Landeschef sind teilweise West-Importe. Prominentester, und skandalträchtigster, von ihnen ist sicher der Thüringer Landeschef Björn Höcke, ein aus den Alten Bundesländern importierter ehemaliger Lehrer. Dies gilt aber auch für andere Bundesländer, wie Sachsen.

Ebenfalls auffällig ist die geringe Präsenz von Frauen, speziell wiederum derer aus den Neuen Bundesländern.

Nach den Berufsgruppen dominieren die Akademiker mit 71,4% die Führungsgremien, wobei Anwälte die größte Berufsgruppe bilden. Lehrer und Militärs komplementieren die Gremien, lediglich 14,3% haben andere Berufe, von denen lediglich einer Handwerksmeister ist, alle anderen sind in Verwaltungsberufen beschäftigt.

AAusgehend von den dargestellten Zahlen kann man feststellen, dass die politisch meinungsbildenden und für Wahlkämpfe relevanten Personen überwiegend aus den Alten Bundesländern kommen und selbst auf regionaler Ebene lediglich zum Teil in die Neuen Bundesländern exportiert wurden. Sieht man sich deren Lebensläufe an, so sind viele von ihnen ehemalige CDU/CSU Abgeordnete der verschiedensten nationalen Körperschaften oder deren ehemalige Parteimitglieder. Diese waren zum Teil Gegenstand von Parteiskandalen, man erinnere sich an den Fall Hohmann, der mit einem Ausschlussverfahren endete. Viele von ihnen standen der rechten „Werteunion“ nahe.

Aber auch kurzzeitige Mitgliedschaften in der FDP und anderen kleineren Parteien sind keine Seltenheit. Bei einigen von ihnen steht der Verdacht des politischen Karrieredenkens sicher im Raum.

Betrachtet man weiter die Struktur der Berufsgruppen der AfD-Gremienmitglieder, so ist diese am ehesten mit der der CDU und FDP zu vergleichen – was ja auch aus den Vormitgliedschaften belegt und hergeleitet werden kann. Interessant dabei ist, dass einer der Parlamentarischen Geschäftsführer, einer von drei im Osten sozialisierten Mitglieder der Führungsebene, im Wachregiment der NVA „Feliks Dzierzynski“ war, dem der Staatssicherheit der DDR als Kaderreserve dienenden Militärverbandes. Bei anderen Personen, zum Beispiel der Linken, war dies schon Grund für Rücktrittsforderungen durch Vertreter anderer Parteien, hier ist dieses Thema – Wachregiment – Stasi – allerdings nie erwähnt worden. Egal von welcher Partei, das die Linke es nicht erwähnt ist klar, denn dort gibt es sicher noch diese oder jene Person mit analogen Lebensläufen, aber für die anderen Parteien gilt dies jedoch nur bedingt.

Die stark spendenabhängige AfD wird dabei wesentlich durch diese aus den westlichen Bundesländern stammenden Führungsmitglieder über Spendenbeschaffung finanziert, legal, als auch am Rande der Legalität – die Fälle der Spenden aus der Schweiz für Frau Weidel und Herrn Meuthen belegen dies. Diese kommen nicht aus dem Osten, und noch weniger von den dortigen Wählern und Sympathisanten. Es ist also die westdeutsche Führung der AfD, die durch gezielte Gestaltung des Wahlkampfes und entsprechende populistische Forderungen im Osten Wählerstimmen gewinnt, dann im Parlament jedoch eine gänzlich rechte und der rechten CDU nahestehende Politik vertritt.

Es ist erstaunlich, was einen Ostdeutschen Hartz IV - Empfänger, Arbeiter oder einfachen Angestellten, von deren Wahlversprechen, speziell auf deren entgegengesetzten Abstimmungsverhalten zu Gesetzen und Anträgen in den Parlamenten blickend, bewegt, seine Stimme der AfD zu geben. Laut Angaben von Infratest Dimap in der ARD sind dies die sozialen Daten der AdD-Wähler nach ihrer Tätigkeit: Arbeiter 35%, Angestellte 23%, Rentner 13% und Arbeitslose 38%. Die Angst vor Migration in das soziale Gefüge der deutschen Gesellschaft allein kann es nicht sein.

Die AfD ist eine rechte, konservative, großbürgerliche Partei. Sie hat außer ihren Wahlerfolgen in den Neuen Bundesändern wenig bis gar nichts mit Ostdeutschland zu tun. Die Verdummung der Bevölkerung ist, dass die anderen bürgerlichen Parteien diesen von den Main-Steam-Medien verbreiteten Fake nicht entsprechend entgegen treten, schwächt doch die AfD die im Osten starken Linken, als auch durch entsprechende Koordination mit der AfD lassen sich gar FDP Interessen, Marke Erfurt, durchdrücken.

Dies soll durchaus als Anregung gelten!


Datum 12.06.2021